Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Rates der Wallfahrtstadt Werl,
sehr geehrter Damen und Herren der Verwaltung,
liebe Werlerinnen und Werler,
die aktuelle Legislaturperiode ist nun 15 Monate alt und heute beschließen wir über den ersten verhandelten Haushalt in der neuen Zusammenstellung des Rates und der Verwaltung:
Werl gestern – heute – morgen heißt das Jahrbuch, das die Stadt Werl und der Neue Heimat- und Geschichtsverein seit 1984 herausgeben. Auch die SPD-Fraktion kennt das Werl von gestern, wir kennen auch das Werl von heute und wir haben eine konkrete Vorstellung von dem Werl von morgen. Wir möchten die Haushaltsdebatten und die heutige Haushaltsrede dazu nutzen, um mit unseren Vorstellungen die politische Diskussion anzuregen.
Unser Werl muss eine generationengerechte Stadt sein. Sie muss mit ihren Angeboten auch integrativ und inklusiv sein. Dazu bedarf es selbstverständlich entsprechender Investitionen. Geld in die Hand zu nehmen heißt, Werte für künftige Generationen zu schaffen. Wohin rigorose Sparpolitik führt, sehen wir aktuell in den Medien bezüglich maroder Autobahnbrücken.
Aber schauen wir uns das beispielhaft an den von der SPD beantragten einzelnen Haushaltsansätzen an:
So haben wir vorgeschlagen, bei der Kindergartenbedarfsplanung aufs Tempo zu drücken. Wir haben Ziele formuliert, um schneller und mehr Kindergartenplätze in Werl zu schaffen. Unser Ziel ist, dass 90% der Werler Kinder ein Betreuungsangebot in einer Kindertagesstätte und 10% einen Platz in einer Tagespflege erhalten. Mindestens 50% der unter 3-jährigen und 100% der über 3-Jährigen sollen einen Kindergartenplatz bekommen. So will es übrigens auch das Kreis Jugendamt sowie der Jugendhilfeausschuss im Kreis. Aktuell liegen wir in Werl leider noch weit hinter diesem Ziel.
Wir wollten deswegen den jährlichen Ausbaustand in unserer Stadt mit einer konkreten Kennzahl messbar machen. Dafür gab es leider keine Mehrheit und keine Akzeptanz in der Verwaltung. Eine generationengerechte Stadt ist aber nur mit guten Angeboten für die jüngste Generation attraktiv für junge Familien.
Wir wollen keine Spielplatzflächen mehr zurücknehmen und erst recht wollen wir diese nicht in Bauland umwidmen. Das muss anders gehen.
Zwar gibt es immer mehr Spielgeräte in privaten Gärten, jedoch ist es für die Entwicklung der Kinder wichtig, nicht allein, sondern mit anderen Kindern aus dem direkten Wohnumfeld zu spielen. Eine moderne, soziale Stadt muss für Kinder und Eltern, ja generationenübergreifend auch für Großeltern, Räume für soziale Begegnungen schaffen. Auch das sind Investitionen, die Werte schaffen. Wir werden dies gegen alle Widerstände auch in Zukunft immer wieder fordern, auch wenn jüngst unser Antrag auf Erhöhung des Spielplatzbudgets von einer, ich sage es mal so, strukturkonservativen Mehrheit abgelehnt worden ist. Wertkonservativ zu denken und zu handeln, bedeutet nicht Stillstand, sondern Entwicklung.
Es freut uns sehr, dass es gelungen ist, Mittel für den Integrationsrat bereitzustellen, die er für seine Aufgaben zur Förderung des Zusammenlebens von Menschen verschiedener Herkunft in unserer Stadt nun nutzen kann.
Die Pandemie hat uns gezeigt, dass sportliche Betätigung vor allem in Vereinen nicht nur der Gesundheit, sondern auch dem sozialen Zusammenleben dient. In den letzten 2 Jahren haben nicht nur Einzelne, sondern auch Vereine gelitten. Aus diesem Grunde haben wir als SPD dafür sorgen wollen, zumindest den Sportvereinen durch Aussetzen der Nutzungsgebühren für unsere Sportstätten in diesem Jahr finanziell Luft zu verschaffen. Hier geht es darum, Werte zu erhalten. Dies sahen ausgerechnet Konservative gänzlich anders. Auf die Folgen der Einschränkungen in diesen Bereichen machen nicht nur Mediziner, sondern auch Psychologen und Soziologen aufmerksam. Wir werden sehen, wie sich dies gesellschaftlich weiterentwickelt und werden dann weiter reagieren müssen.
Einen Ansatz von Lösungsorientierung sehen wir jedoch in der Aufstockung der Schulsozialarbeit. Nicht nur um die von uns geforderte halbe, sondern sogar um eine dreiviertel Stelle. Es freut uns sehr, dass uns hier der Rat bzw. der Hauptausschuss gefolgt ist, denn Schulsozialarbeit steht in den Schulen neben dem fachlichen Lernen und unterstützt die Persönlichkeitsstärkung sowie das soziale Miteinander. So kann sie Lehrerinnen und Lehrer in diesen Aufgaben unterstützen und ggf. auch entlasten. Unbestritten ist, dass die Corona-Zeit wie ein Brennglas gewirkt hat und umso mehr gezeigt hat, wie wichtig diese Unterstützungsleistung ist, um kein Kind zurückzulassen. Darum werden wir Sozialdemokraten dies immer im Auge behalten. Investitionen in soziale Arbeit haben im Übrigen auch eine große ökonomische Effizienz. „Wo wir heute in diesem Bereich sparen, fällt uns das doppelt und dreifach in Zukunft wieder auf die Füße.“
Die Jungen von heute sind die Alten von morgen.
Die demographische Entwicklung geht auch an Werl nicht vorbei. Eine generationengerechte Stadt muss das im Fokus haben. Ohne ehrenamtliche Arbeit ist Unterstützung der Seniorinnen und Senioren zur Teilnahme an der Entwicklung des Gemeinwesens nicht möglich. Damit ist aber die Politik nicht aus der Pflicht entlassen. Sie hat die Strukturen dafür vorzuhalten. Kommunale und ehrenamtliche Einrichtungen müssen Hand in Hand arbeiten. In Werl leisten das Seniorenforum und der Verein „Treffpunkt – Leben im Alter e.V.“ aber natürlich auch andere Vereine und Institutionen sehr gute Arbeit. Darum haben wir den Antrag des Treffpunktes auf Aufstockung der finanziellen Mittel uneingeschränkt unterstützt, ja sogar einen Kompromissverschlag eingebracht!
Ich wiederhole mich an dieser Stelle gerne:
„Wenn ein gemeinsames Projekt so gut angenommen wird, darf man sich nicht wundern, dass es weiter ausgebaut werden muss!“
Dass dies „Begehrlichkeiten bei anderen“ wecke ist für uns das ärmste Argument, um die Weiterentwicklung bei der Verteilung von Mitteln auszubremsen.
Besonders wichtig ist uns die medizinische Versorgung der Bevölkerung durch Haus- und Fachärzte. Wir dürfen als Politik nicht nur zusehen, wenn Arztpraxen schließen. Ganz im Gegenteil, wir müssen hier gegensteuern, neue Ärzte anzusiedeln, damit Praxen nicht einfach geschlossen werden müssen und die Patienten auf, die immer weniger werdenden Praxen verteilt werden. Das führt nämlich zu Überlastungen, zu sehr langen Wartezeiten oder sogar zu Aufnahmestopps, wie ich es persönlich leider schon erleben musste. Den Ärzten machen wir hier keine Vorwürfe! Sie geben im Rahmen ihrer Möglichkeiten alles. Auch sollten wir, wann immer möglich, für den Erhalt unseres Krankenhauses kämpfen. Denn hier hören wir immer wieder Stimmen aus Düsseldorf, dass die aktuelle Landesregierung an der Krankenhauslandschaft in NRW Veränderungen anstrebt.
Wenn wir die Mobilität in Werl integrativ weiterentwickeln wollen, müssen wir alle Generationen im Blick haben. Auch hier haben wir lösungsorientierte Zustimmung in den letzten Monaten erhalten. Das Konzept „Mobilstationen im Kreis Soest“ ermöglicht die Verknüpfung aller Verkehrsmittel, wie Carsharing, Bus, Bahn, Fahrrad, E-Bikes und Fußwege. In der Kernstadt und in den Ortsteilen werden, wie wir es angeregt haben, Mobilstationen für die Nutzung dieser Möglichkeiten sorgen. Verknüpft damit ist auch die Förderung der Nahmobilität inklusive der Fahrradmobilität. Gespannt sind wir sehr auf das sich zurzeit in Bearbeitung befindende Nachmobilitätskonzept der Verwaltung. Unsere Erwartungen sind hoch. Mittel stehen nach unserem Antrag zur Nahmobilität zum Glück bereit.
Notwendige Grundlage für Mobilität ist die Straßenunterhaltung, deren Mittel ständig angepasst werden müssen, damit nicht ungeahnte Kosten durch Vernachlässigung entstehen. Was eine zu restriktive Sparpolitik anrichtet, darauf hatte ich schon in Bezug auf die maroden Autobahnbrücken in Deutschland hingewiesen. Viele von diesen müssen nun komplett neu gebaut werden, was einen enormen Kraftakt bedeutet und viel Geld beanspruchen wird.
Solche Zustände dürfen wir in Werl nicht zulassen!
Deswegen freut es uns sehr, dass unser Antrag auf Erhöhung des Ansatzes für die Straßenunterhaltung, einstimmig angenommen wurde.
Wir werden auch fortgesetzt initiativ für die Schaffung von mehr Wohngrundstücken und Gewerbegebieten und setzen hier auf eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft. Eine generationengerechte Stadt muss bezahlbaren Wohnraum anbieten, um generative mit sozialer Gerechtigkeit zu verbinden. Hierzu werden wir als SPD-Fraktion in Kürze einen Antrag stellen, den wir gemeinsam mit Ihnen diskutieren möchten.
Insgesamt kommt uns im Haushalt, aber auch in der politischen Arbeit der letzten 15 Monate, der Umweltaspekt zu kurz. Mit Beginn der neuen Legislaturperiode haben alle Parteien gemeinsam einen neuen Ausschuss ins Leben gerufen, den Umwelt- und Klimaausschuss. Dieser hat zwar nur beratende Funktion und scheint gewissermaßen in Konkurrenz zum Planungs-, Bau- und Stadtentwicklungsausschuss zu stehen. Wir hatten aber gehofft, dass hier zumindest Impulse gegeben werden, wie die Stadt Werl Klimaschutz voranbringen kann. Zwei Mal hat das neue Gremium nunmehr in 15 Monaten getagt. Dabei wurden insgesamt vier Anträge der Fraktionen und zwei Tagesordnungspunkte zum Thema Umwelt behandelt. Dies ist unseres Erachtens deutlich zu wenig. Wenn die Verwaltung keine Punkte auf die Tagesordnung setzen kann, dann muss es die Politik über Anträge zukünftig selbst in die Hand nehmen.
Lassen Sie mich noch eines sagen:
In der aktuellen Legislatur haben wir eine originelle Art von Mehrheitsfindung im Rat erleiden müssen.
Wir als SPD stehen für eine Debattenkultur, die konträre Positionen aushält und Kompromisse als Teil einer Lösung akzeptiert. Aktuell finden zwar Debatten, die auch manchmal emotional und leidenschaftlich geführt werden, statt, Kompromisse oder sogar eine Konsensfindung vermissen wir aktuell jedoch sehr. Lassen Sie uns doch mehr über Lösungen sprechen, anstatt Tagesordnungspunkte einfach nur „knallhart“ abzustimmen.
Meine Damen und Herren,
zum ersten Mal seit 10 Jahren haben wir wieder die Möglichkeit, selbständig und ohne Restriktionen einen Haushalt aufzustellen. Nicht die Mehrheit des Rates, sondern die Steuer- und Abgabenzahler in Werl haben mit ihrem Geld dafür gesorgt, dass die Stadt heute wieder finanziellen Spielraum hat. Ihnen gebührt großes Lob. Sich selbst dafür zu loben, den Ausgleich „geschafft“ zu haben, wie es die größte Fraktion hier im Rat gerne tut, täuscht darüber hinweg, wer wirklich bezahlt hat und täuscht außerdem darüber hinweg, wessen Politik Haushaltssicherung und Stärkungspakt überhaupt erst nötig gemacht haben.
Der Stärkungspakt, den seinerzeit die Rot-Grüne Landesregierung ins Leben gerufen hat, hat von 2012 bis 2020 rund 17,5Millionen Euro ins Stadtsäckel gespült. Der Betrag, der durch die Erhöhung der Grundsteuer B von den Werler Bürgerinnen und Bürgern gezahlt wurde, war deutlich höher.
Normalerweise wäre nun der richtige Zeitpunkt, den Bürgerinnen und Bürgern von Werl auch finanziell etwas zurückzugeben und die Grundsteuer B zu senken.
Durch die Corona-Pandemie werden der Stadt Werl jedoch Einnahmen fehlen, Ausgaben werden steigen. In welcher Höhe, dass lässt sich heute noch gar nicht genau beziffern. Gleichzeitig haben wir begonnen, im Zuge von ISEK unterschiedlichste Baumaßnahmen in Angriff zu nehmen. Nicht dass Sie mich falsch verstehen: Wir begrüßen ISEK außerordentlich und sehen ISEK als große Chance für die Weiterentwicklung unserer Stadt. Aber wir sehen auch, dass die derzeitigen Preissteigerungen die Umsetzung schwieriger machen werden.
Nur dank der möglich gemachten, ich nenne es mal „kreativen Haushaltsbuchführung“, also wenn ich es richtig verstanden habe, dass wir die Corona-Sonderausgaben wieder als Einnahmen buchen, um dann diese dann wiederum zu isolieren und ggf. 2025 voll oder über 50 Jahren abzuschreiben. Nur dadurch können wir heute überhaupt einen Ausgleich des Haushaltes schaffen.
Nun hat die SPD seit 2012 immer gefordert, die Grundsteuer B zu senken und die Gewerbesteuer zu erhöhen. Während die Wirtschaft in den Jahren vor Corona gestiegen ist, so muss sie sich jetzt erstmal erholen. Stichwort: Kurzarbeit, Jobverlust, Lieferkettenprobleme usw. Manche Branchen sind aber noch mittendrin und weit entfernt von der Erholung.
Aus vorgesagten Gründen haben wir in unserer Fraktion lange intensiv diskutiert und uns letztendlich entschlossen, für dieses Haushaltsjahr die Beibehaltung der Hebesätze nicht abzulehnen, sondern uns hier zu enthalten. Dennoch müssen wir die Situation für den nächsten Haushalt wieder neu bewerten.
Bevor wir Ihnen unsere Entscheidung zum Haushalt vorstellen, haben wir einen Wunsch an den Bürgermeister:
Von Ihnen, Herr Bürgermeister, wünschen wir uns für die Zukunft auch eine Art Rede zur Einbringung des Haushalts. Nutzen Sie doch auch die Chance, den Werlerinnen und Werlern und der Politik darzulegen, wie Sie sich die Zukunft Werls vorstellen und auf welche Weise der Haushalt die finanziellen Möglichkeiten dafür bereithält.
Nun zu unserer Entscheidung:
Wie Sie meinen Ausführungen vielleicht entnehmen können, ist einiges von unseren Vorstellungen erreicht worden und findet sich in diesem Haushaltsansatz wieder. Die Aufgaben für unser Gemeinwesen bleiben jedoch groß.
Die SPD verfolgt weiterhin konsequent eine Stadtentwicklung, die die Bezeichnung „integriert“ zu Recht führt.
Wir erarbeiten Lösungsvorschläge und bringen diese in die politische Debatte ein. Am Ende sollten dann Entscheidungen auf der Basis von Kompromissen stehen, so dass möglichst viele Bürgerinnen und Bürger mitgenommen werden.
Wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen. Um all dies zu unterstreichen, stimmen wir dem Haushalt 2022 zu.
Es gilt das gesprochene Wort!
Für die SPD-Fraktion
Ihr Sascha Quint
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!