Haushaltsrede der SPD-Fraktion Werl durch unseren Vorsitzenden Sascha Quint
Die SPD-Fraktion im Rat der Wallfahrtsstadt Werl hat den vorliegenden Haushaltsentwurf eingehend geprüft und erhebt deutliche Kritik. Während wir die positiven Entwicklungen der vergangenen Jahre – etwa die Neugestaltung der Innenstadt und den Kurpark – ausdrücklich anerkennen, fehlt es im aktuellen Haushalt an mutigen Entscheidungen und klaren Zukunftsperspektiven.
Wichtige Kritikpunkte
- Entwicklung brachliegender Flächen
Die Ablehnung unseres Antrags, einen Ideenwettbewerb für die brachliegenden Flächen rund um die Paul-Gerhardt- und Overbergschule durchzuführen, zeigt die mangelnde Bereitschaft, innovative Impulse für unsere Stadt zu setzen. - Geförderter Wohnungsbau
Unser Vorschlag einer 30%-Quote für geförderten Wohnungsbau, der bezahlbaren Wohnraum für Familien und Seniorinnen schaffen sollte, wurde abgelehnt – ein Rückschlag für viele Bürgerinnen, die dringend Unterstützung benötigen. - Entlastung von Familien
Unser Antrag zur Senkung der OGS-Beiträge scheiterte, obwohl steigende Lebenshaltungskosten viele Familien belasten. Hier fehlt es an echter Familienfreundlichkeit. - Unterstützung der Ortsteile
Die Erhöhung des Dorfentwicklungsbudgets wurde ebenfalls abgelehnt, was die Entwicklung und den Erhalt unserer dörflichen Strukturen erschwert. - Planung der Sporthalle „Am Salzbach“
Die Planung der neuen Sporthalle wurde ohne die Bedarfe der Nutzer*innen abgestimmt. Trotz eines durch uns initiierten Kompromissvorschlags bleibt die Mehrheit unkooperativ. - Grundsteuer B
Die geplante Senkung der Grundsteuer B begrüßen wir, doch es überrascht, dass dieser Schritt erst jetzt, kurz vor den Wahlen, erfolgt – Trotzdem freuen wir uns, dass unsere Forderung nach über einem Jahrzehnt endlich anklang findet.
Fazit: Verantwortung statt Stillstand
Die Vielzahl abgelehnter Anträge zeigt, dass der Haushalt keine zukunftsfähige Grundlage bietet. Es fehlt an Weitsicht, Führung und einem klaren Plan für Werls Zukunft. Aus Verantwortung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern können wir diesen Haushalt nicht mittragen.
Werl hat das Potenzial für mehr – eine sozial gerechte, innovative und zukunftsorientierte Politik. Wir als SPD-Fraktion stehen bereit, dies mit aller Kraft voranzutreiben.
Vollständige Rede:
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren der Verwaltung,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
geschätzte Bürgerinnen und Bürger,
Ein Haushalt ist weit mehr als ein bloßes Zahlenwerk. Hinter jedem Euro, jeder Ausgabe und jeder Investition steht eine zentrale Frage: Wie wollen wir in Werl leben? Wie soll unsere Stadt heute und in Zukunft aussehen?
Diese Frage ist der Kern unserer Arbeit und unserer Verantwortung als gewählte Vertreterinnen und Vertreter der Werler Bürgerschaft. Ein Haushalt ist nicht nur ein Abbild der aktuellen Finanzlage, sondern auch ein Ausdruck unserer Vision für die Zukunft. Es geht darum, welche Prioritäten wir setzen, welche Werte wir vertreten und welchen Weg wir gemeinsam einschlagen wollen.
Eine zukunftsgerichtete Haushaltspolitik erfordert Mut, Weitsicht und eine klare Führung. Sie muss Antworten auf die Herausforderungen von heute geben und zugleich die Voraussetzungen für ein gutes Morgen schaffen. Werl hat das Potenzial, eine Stadt für alle Generationen zu sein – lebenswert, gerecht und zukunftsfähig. Doch dazu braucht es mehr als das Verwalten des Status quo.
Erfolge aus der Vergangenheit – aber wo bleibt die Zukunft?
Es ist unbestreitbar, dass viele aktuelle Projekte, wie die Neugestaltung der Innenstadt, der Kurpark oder das Stadthallenumfeld positive Entwicklungen für Werl darstellen. Diese Maßnahmen tragen dazu bei, das Erscheinungsbild und die Lebensqualität unserer Stadt zu verbessern. Dafür gebührt allen, die diese Projekte auf den Weg gebracht haben, unser Dank.
Doch wir dürfen dabei nicht vergessen: Diese Projekte sind das Ergebnis von Entscheidungen, die vor vielen Jahren unter dem damaligen Rat und Bürgermeister getroffen wurden. Wir ernten heute die Früchte der Vergangenheit – doch gleichzeitig wird es versäumt, die Zukunft zu gestalten.
- Wo sind die neuen Impulse, die Werl langfristig voranbringen?
- Wo sind die mutigen Entscheidungen, die die Herausforderungen von morgen angehen?
Stattdessen verwaltet die aktuelle Führung lediglich die Ergebnisse der Vergangenheit, ohne die Herausforderungen von morgen aktiv anzugehen. Beispielhaft sei die Ablehnung unserer Anträge zur Entwicklung der brach liegenden Gelände rund um die Paul-Gerhardt- und die Overbergschule genannt. Wir wollten einen IDEEN Wettbewerb, nicht mehr! Wir wollten neue Ideen für Werl! Aber selbst neue Ideen zu sammeln wurde abgelehnt.
Eine Stadt für alle Generationen – Fehlanzeige im Haushalt
Ein moderner Haushalt muss alle Menschen in unserer Stadt im Blick haben. Doch sowohl Familien als auch ältere Menschen finden im vorliegenden Entwurf kaum oder wenig Berücksichtigung:
- Neue Kitaplätze entstehen nur nach enormem und jahreslangem Druck unsererseits und dann auch noch im falschen Ortsteil: Die neuen Kitaplätze kommen nach Büderich, nicht nach Holtum. Dies ist ein Rückschlag für unsere Bemühungen, alle Ortsteile attraktiv zu machen.
Wir bauen die Plätze für den offenen Ganztag (OGS) aktuell aus, soweit so gut. Triebfeder ist hier aber nur der gesetzliche Rechtsanspruch. Ohne diesen käme da wohl auch eher wenig. Außer Acht gelassen wurde die Entlastung der Eltern. Wir hätten die OGS-Beiträge gerne in dieser Legislatur zu Gunsten der Eltern angepasst . Und wenn wir gerade beim Ausbau von Ganztagsschulen sind: Eine solide und seriöse Planung der Baukosten sieht anders aus als die bei der Norbertschule.
- Unser Vorschlag, eine 30%-Quote für geförderten Wohnungsbau einzuführen, wurde blockiert. Dabei ist diese Maßnahme dringend nötig, um Familien mit mittlerem Einkommen, also bis zu 60.000EUR Jahreseinkommen, zu entlasten. Nicht zu vergessen, unsere Rentnerinnen und Rentner. Von diesen werden viele nicht genug Rente bekommen, um in altersgerechte Wohnungen zu ziehen, wenn es für sie nötig wird. Sehen sie sich die Quote in Werl für „Ergänzende Leistungen im Alter“ an. Diese Leistungen steigen stetig und zeigen, wo Geld fehlt.
- Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche bleiben unzureichend, vor allem nach dem Personalverlust im Jugendzentrum. Zum Glück gibt es jetzt einen Träger, der das Jugendzentrum übernommen und bereits diesen Dienstag die Arbeit aufgenommen hat. Danke liebe AWO und danke liebes Jugendzentrum-Team und Dank auch an alle, die eine schnelle Lösung möglich gemacht haben- Im Sinne der Kinder und Jugendlichen.
- Konzepte für altersgerechtes Wohnen oder generationenübergreifende Projekte sucht man vergeblich.
- Auch das Dorfentwicklungsbudget wurde hier von der Mehrheit abgebügelt, mit der Begründung: Die Vereine in den Dörfern bekämen schon das Geld, dass sie benötigen…
Planung ohne Bedarf – verfehlte Prioritäten
Ein weiteres Beispiel für fehlende Weitsicht ist die neue Sporthalle „Am Salzbach“. Diese wurde ohne weitere Rücksprache mit den Sportvereinen und Schulen und an den Bedarfen der Nutzer vorbei geplant. Erst durch unsere Nachfrage bei den betroffenen Vereinen und Schulen kam ein Arbeitskreis ins Rollen. Unfassbar war dann aber, dass der gemeinsame Kompromissvorschlag aller Beteiligten vom Bürgermeister und der CDU komplett abgebügelt wurde. Es bleibt unerklärlich, warum das große Engagement derer missachtet wurde, für die das Projekt gedacht ist. Dies zeigt, dass es nicht an Geld fehlt, sondern an einem durchdachten bürgerorientierten Konzept.
Eine unerwartete Entlastung – und ein verpasster Moment
Die geplante Senkung der Grundsteuer B ist eine Überraschung, die wir ausdrücklich begrüßen. Die Bürgerinnen und Bürger verdienen diese Entlastung und wir machen sie selbstverständlich mit. Doch wir können nicht verschweigen, dass uns diese plötzliche Einsicht überrascht hat.
Seit über einem Jahrzehnt fordert die SPD-Fraktion, aber auch die Grünen und die FDP in diesem Rat Steuersenkungen bei der Grundsteuer B. Unsere Anträge wurden regelmäßig abgelehnt – stets mit dem Verweis auf die Haushaltslage. Jetzt vertritt die CDU/UWG plötzlich eine andere Meinung und dies, obwohl wir laut Planung über 13 Mio. EUR Verlust machen???
Wie kann das sein?
Hat dieser Schritt etwas mit der anstehenden Kommunalwahl zu tun?
Dazu muss noch gesagt werden: Wir hätten uns vom Bürgermeister einen konkreten und klaren Vorschlag zur Grundsteuer B erwartet. Es wäre seine Aufgabe gewesen, die finanzielle Entlastung der Bürgerinnen und Bürger aktiv voranzutreiben, statt stillschweigend und klammheimlich dem Antrag von CDU/UWG zu folgen. Es ist Aufgabe eines hauptamtlichen Bürgermeisters entscheidende Impulse zu setzen.
Natürlich hätten wir als SPD gerne weitergehende Entlastungen für die Bürgerinnen und Bürger vorgeschlagen, denn es ist offensichtlich, dass hierfür finanzielle Spielräume bestehen. Doch wir haben uns alle diese Diskussion erspart, weil wir wissen, dass CDU und UWG jeden weitergehenden Antrag von uns kategorisch abgelehnt hätten – wie so oft in dieser Legislatur.
Ein versöhnlicher Blick – Dank an die Verwaltung
Doch bei aller Kritik möchte ich eines nicht vergessen: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung leisten tagtäglich Großartiges. Sie sind das Rückgrat unserer Stadt.
Besonders nach dem Cyberangriff haben sie sich als belastbar, engagiert und lösungsorientiert gezeigt. Dank ihres Einsatzes konnte unsere Stadt schnell wieder handlungsfähig werden. Dafür gebührt ihnen nicht nur unser Dank, sondern auch unsere Anerkennung und Unterstützung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Verwaltung, wir danken Ihnen von Herzen für Ihren Einsatz.
Doch es ist auch unsere Verantwortung als Politiker und die Verantwortung der Verwaltungsspitze, Ihnen nicht nur Dank zu sagen, sondern Ihnen die Bedingungen zu schaffen, unter denen Sie Ihre Arbeit bestmöglich ausführen können. Leider wird diese Aufgabe aus meiner Sicht nicht immer ausreichend erfüllt. Der Verlust von wertvollen qualifizierten Kräften, wie etwa im Jugendzentrum und in der Bücherei, zeigt doch ganz klar, dass dringender Handlungsbedarf im Miteinander und Personalführung besteht.
Warum wir den Haushalt ablehnen müssen
Die größte Schwäche dieses Haushalts ist jedoch nicht nur das Fehlen von Antworten – es ist das Fehlen einer klaren Führung. Es fehlt an einer Persönlichkeit, die die unterschiedlichen politischen Kräfte in diesem Rat zusammenführt, die Ideen bündelt und die Stadt konsequent und bürgernah in die Zukunft lenkt.
Doch genau das ist es, was Werl jetzt braucht:
- Eine klare Vision für Familien, Kinder, Jugendliche und ältere Menschen.
- Mut, neue Wege zu gehen und große Herausforderungen aktiv anzugehen.
- Zusammenhalt, um die Stärken der Verwaltung, der Dörfer und der Bürgerinnen und Bürger zu bündeln.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Bürgerinnen und Bürger,
wir haben lange und intensiv darüber nachgedacht, ob wir diesem Haushalt zustimmen können. Doch am Ende überwiegen die Schwächen. Es fehlt an Mut, an einer ganzheitlichen Planung und an einer klaren Vision.
Deshalb lehnen wir als SPD-Fraktion diesen Haushalt ab – nicht weil wir die Opposition sind und die das halt so macht, sondern aus Verantwortung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt.
Wir wissen, dass Werl es besser kann. Unsere Stadt hat Potenzial. Um dieses Potential aktiv einzubinden, braucht es aber Führung, Zusammenhalt und Weitsicht.
Die Frage ist also nicht, ob Werl Führung braucht – sondern, WER bereit ist, sie zu übernehmen.
Es gilt das gesprochene Wort.
Ihr
Sascha Quint
Für die SPD-Fraktion im Rat der Wallfahrtsstadt Werl